CORONA UND GOTT

Ein Virus, nicht sichtbar, weitgehend unbekannt, bedroht die ganze Welt. Wer hätte das vor wenigen Wochen für möglich gehalten: Geschlossene Läden, Restaurants, Museen, Messen, Schulen und Universitäten geschlossen, ebenso viele Dienstleister, kein Kontakt mit Gruppen. Das staatliche Gebot heißt: Distanz wahren. Dazu kommt eine Ausgehbeschränkung, Ausgehen ja, aber nur zur Apotheke, zum Supermarkt, Arzt, Bank, zum Spazierengehen maximal zu zweit und Joggen. Distanz, Distanz, Distanz ist das Gebot der Stunde, um Ansteckungsgefahr zu minimieren. Möglichst kein Kontakt!

Bisher unvorstellbar: Der Staat verbietet Gottesdienste.

Inzwischen sind Orte, wo sonst das Leben pulsierte, menschenleer. Die Auswirkungen, vor allem die wirtschaftlichen, werden verheerend sein.
Warum das alles? Die Sorge um die rasante Ausbreitung des Corona-Virus, der die Menschen, vor allem ältere mit einer Krankheitsvorgeschichte tödlich bedroht. Politiker lassen sich dabei vor allem von Virologen und wichtigen Erkenntnissen von Wissenschaftlern leiten. Das Problem ist nur: Es gibt da nicht nur die eine Meinung zum Umgang mit dem Virus und seine Gefahr, sondern leider auch Widersprüchliches. Das fördert Verschwörungstheorien mit der Folge, man solle sich den Anforderungen des Staates widersetzen und möglicherweise Widerstand leisten, z.B. auch gerade beim Gottesdienstverbot.

Schweren Herzens stimme ich dem zeitlich beschränkten Gottesdienstverbot zu. Wer will verantworten, wenn Gemeindeglieder sich im Gottesdienst anstecken, das Virus verbreiten und Menschenleben gefährden? Das Gebot der Nächstenliebe spricht eine deutliche Sprache. Bei aller zeitlich beschränkten Einschränkung können wird dankbar sein, dass über Internet, Fernsehen und die sozialen Medien Gottesdienste möglich sind, eine Chance, die Menschen in früheren Zeiten nie gehabt haben. Das Gottesdienstverbot auf Zeit schließt uns ja nicht aus von der Begegnung mit Gott in seinem Wort durch verstärktes Bibellesen, dem Verbundensein mit den Mitchristen, dem vertieften Gebet in Dank, Anbetung und Fürbitte! Distanz, Abstand untereinander bedeutet in keinem Fall Distanz, Abstand von Gott. So wie sich Gott von uns nicht distanziert, im Gegenteil seine Nähe anbietet, gerade in unseren schweren Zeiten.

Wir leben in einer besonderen Fastenzeit
Wir erleben eine unfreiwillige Fastenzeit, keine mit Verzichtskultur und/oder Gewichtsabnahme, keine Spezialdiät, sondern ein Zwangsfasten für Menschen, Wirtschaft, Kultur, Finanzwesen, für alle Bereiche, die üblicherweise zentrale Bedeutung für Sinn und Leben haben mit unübersehbaren Härten, Schicksalen und Konsequenzen. Katastrophe oder auch Chance. Wenn die Bedrohung vorüber ist, gehören die gewohnten Lebensmaximen auf den Prüfstand.

Ein Virus verordnet Fasten, oder doch Gott?
In den meisten Stellungnahmen der Kirche zur Corona-Virus-Pandemie höre ich, dass das alles mit Zorn Gottes, geschweige denn Strafe oder Prüfung Gottes nichts zu tun habe. Ich bin mir da nicht so sicher. Man bezieht sich auf den Gott der Liebe. Früher hätten Christenmenschen für so etwas den Zorn Gottes bemüht, das könnten wir heute nicht mehr nachvollziehen. Denn Gott ist Liebe. Aber kann der liebe Gott immer nur lieb sein in unserem Sinn? Die Bibel kann durchaus vom Zorn Gottes sprechen. Ich lese gerade aus dem Buch Jesaja 54.Kapitel: „So spricht der Herr: Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser, … denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens sollt nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“ In diesem Text ist von Zorn, aber auch von Gnade und Barmherzigkeit die Rede. Auch für Martin Luther stand fest, dass unser Gott der Liebe auch zürnen kann. Liebe und Zürnen schließen einander nicht aus. Das wissen Vater und Mutter, die aus Liebe zum Kind auch zornig sein können und trotzdem niemals die Liebe infrage stellen.

Wenn Gott die Welt und ihr Treiben, die zunehmende Gottesferne, das menschenverachtende Handeln, das Missachten und Verhöhnen seiner Gebote sieht, hätte er da nicht allen Grund zum Zorn? Wer will das allen Ernstes bezweifeln! Diese unsere Zwangsfastenzeit könnten wir als Bußruf Gottes an die Menschheit, an uns verstehen, umzukehren, innezuhalten, neu nach dem Sinn des Lebens, der gewohnten Lebensweise mit ihren je eigenen Lebensgewohnheiten zu fragen, neu die Ausrichtung des eigenen Lebens nach seinen Geboten justieren. Mehr und treuer Bibel lesen und beten. Ebenso dürfen wir diese bedrohliche Zeit wahrnehmen als eine Zeit der Gnade, als Chance zum Neuanfang, als Zeit, sich der Gnade Gottes anvertrauen, darauf zu hoffen und mit ihr zu leben.
Ist es nicht auch ein Zeichen, dass diese Zeit des Zwangsfastens und der darauf folgenden Passion in die von uns Christen wahrgenommene Passionszeit, Fastenzeit, fällt, wo wir in besonderer Weise der Passion Jesu, seines Leidens und Sterbens am Kreuz gedenken. Unsere Zuflucht zur Gnade und unsere Hoffnung in der Coronakrise liegt letztlich in dem, der durch sein Opfer am Kreuz allem Leiden, ja sogar dem Tod eine Ende gesetzt hat. Das Kreuz Christi ein Siegeszeichen. Christus ist mit seiner Hingabe und Liebe für uns stärker als das Coronavirus!

Der Passionszeit folgt die Osterzeit! Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Freude im Leiden. „Des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein!“ Karfreitag und Ostern, Christus, der Herr über Tod und Leben, die Gnade und Vergebung Gottes ganz für dich.
Die Coronakrise bietet die Chance, den Blick der Menschen auf Christus zu schärfen, dass wir diese Zeit als Zeit der Gnade begreifen. Zeit, die eigene Gottesbeziehung intensiver zu pflegen und für die da zu sein, die uns jetzt brauchen. Insgesamt haben wir ja mehr Zeit. Eltern könnten ihren Kindern biblische Geschichten aus der Kinderbibel vorlesen. Unsere Solidarität ist gefragt. Eltern und Kinder könnten gestärkt aus dieser Zeit hervorgehen. An unserem Umgang mit Kranken und Sterbenden zeigt sich, ob wir es mit unserem Christus ernst meinen. Es bleibt zu hoffen, dass wir uns alle diese schwierige Zeit auch als eine Zeit der Gnade begreifen und uns von ihr im Glauben berühren und verwandeln lassen mit dem Blick auf das, was zentral ist: Jesus, der für uns Gekreuzigte und Auferstandene.

Zum Schluss och drei Hinweise von Pater Ignatius:

1) Vorsicht vor der Angst. Denn die Angst kommt niemals von Gott. Die Angst will euch immer alle möglichen Gründe aufzeigen, warum ihr euch fürchten müsstet. Zwar sind die Gründe meistenteils wahr. Einzig und allein, ihr braucht vor ihnen keine Angst zu haben. Der Herr kümmert sich auch jetzt um euch. Das weiß ich genau aus einer gut informierten himmlischen Quelle (Jesus). Die Erfahrung hat gezeigt, dass ER gerade schreiben kann, wo irdische Linien krumm aussehen. Traut euch, daran zu glauben.

2) In Zeiten der Krise ist das Gebet nicht weniger, sondern noch viel mehr wichtig als sonst. Nehmt euch das Recht, sich seiner Liebe ganz hinzugeben. Er ist das beste Gegenmittel gegen die Angst.

3) Und schließlich vergesst in all dem nicht, zu leben und das Leben zu genießen. Was immer auch geschieht, jede Sekunde, die euch geschenkt wird, ist ein einzigartiges, wertvolles Geschenk. Daran kann auch das Coronavirus nichts ändern.

Ich wünsche Ihnen allen gerade in dieser Zeit eine von der Auferstehungsfreude und Auferstehungshoffnung bestimmte Osterzeit. Und vergessen Sie nicht: In Christus ist Ihnen Gott zu allen Zeiten ganz nahe.

Pastor Ulrich Rüß, 1. Vorsitzender der Kirchlichen Sammlung